Die linsenlose Fotografie ist meines Erachtens nach die reinste und urspürunglichste Form der Fotografie. Was heißt linsenlos? Ein Kasten, schwarz von innen, ein Fotopapier drin, oder eine Filmkassette hinten dran, vorne ein winziges Loch und etwas um das Loch abzudecken.
Vor mehr als zweitausend Jahren entdeckte der griechische Philosoph Aristoteles (384-322 v. Chr.) während einer Sonnenfinsternis in einem Baumschatten das mehrfache Abbild der Sonne. Er folgerte, es entstehe durch die Lücken, durch kleine „Löcher“ im Blattwerk des Baumes. Allgemein lässt sich aus der Beobachtung von Aristoteles ableiten: Fällt Licht durch eine kleine Öffnung in einen dunklen Raum, entsteht auf der gegenüberliegenden Seite ein Bild des Gegenstandes, von dem das Licht ausgeht.
Du siehst also, das ist keine Erfindung der Neuzeit, sondern also Aristoteles das entdeckte, dachte niemand daran, das Licht auf Film festzuhalten. Das kam erst viel viel später. Im Mittelalter nutzte man die Camera Obscura, um Landschaftszeichnungen herzustellen, vorne war ein Loch, oben eine Mattscheibe, darauf das Zeichenpapier. Nun hatte der Zeichner ein perspektivisch richtige Ansicht der Landschaft und braucht nur die Umrisse nachzuzeichnen.
Für das erste Bild, welches mit einer solchen Kamera aufgenommen wurde, das dauerte allerdings noch bis 1826 als Joseph Nicéphore Niépce das weltweit erste Foto überhaupt aufnehmen konnte und auch dauerhaft fixieren. Selbst heute ist die Aufnahme noch vorhanden.
Um jetzt eine eigene Lochkamera herzustellen, bedarf es sehr sehr wenig, es würde eine Kaffeedose, eine Pappschachtel, ein Schuhkarton, egal was, reichen. Hauptsache schwarz von innen, ein Loch vorne, Film drinnen oder hinten dran. Das ist alles. Na, wenn das nicht puristisch ist. Bedingt durch das sehr kleine Loch haben wir es mit einer mehr oder weniger langen, bis sehr langen Belichtungszeit zu tun. Wir gehen nun von folgenden Überlegungen aus:
Loch groß = Zerstreuungskreise groß, das bedeutet, dass diese sich überlappen = Fazit, das Bild wirkt weich und unscharf, dafür kürzere Belichtungszeiten
Loch klein = Zerstreuungskreise klein, das bedeutet, dass diese sich nicht so sehr überlappen = Fazit, das Bild wirkt schärfer, erkauft mit langen Belichtungszeiten
Leider entstehen bei sehr kleinen Löchern Beugungen an den Rändern der Löcher, welche das Licht wieder ablenken und somit den Effekt wieder zerstören. Also davon ausgehend, gibt es auf diesen gegenläufigen Kurven einen gemeinsamen Schnittpunkt, an dem der Effekt der Beugung optimal im Verhältnis zur optimalen Lochgröße steht. Dazu gibt es eine vereinfachte Formel, die mir erlaubt, die optimale Lochgröße zu errechnen.
Ich nehme die Wurzel aus der angestrebten Bildweite und multipliziere diese mit 0,037, das ergibt die für diesen Zweck optimale Lochgröße. Die gilt es herzustellen, bzw. heute kann man die Löcher sehr gut kaufen. Nachdem ich nun die Lochgröße errechnet habe, komme ich ganz einfach zu meiner Blende. Hierzu teile ich die Bildweite durch die Lochgröße und schon habe ich meine Blende. Diese allerdings finde ich wohl kaum auf einem Belichtungsmesser.
Um nochmal an die an anderer Stelle erwähnte Kreativität zurück zu kommen, wer hindert mich an Stelle des optimalen Loch, nicht das „Falsche“ zu nehmen und so mit unscharfen Aufnahmen zu spielen? Niemand. Ich sage, alles ist erlaubt, es muss ja in erster Linie nur dir selber gefallen. Probier es aus, du wirst erstaunt sein, welches Potenzial in dieser archaischen Form der Fotografie steckt.
Die in den folgenden Portfolios entstandenen Aufnahmen sind mit eigenhändig von mir gebauten Lochkameras auf Film aufgenommen worden, in der heimischen Dunkelkammer entwickelt, auf einem Leuchtpult mit einer „normalen“ Digitalkamera aufgenommen und anschließend im Computer leicht bearbeitet worden. Dieses Vorgehen nennt man Hybrid, ich vermische also an der Stelle das Analoge mit dem Digitalen. Das mir ja das Negativ zur Verfügung steht, bin sich auch in der Lage den reinen analogen Weg zu gehen.
So nun genug der Worte, klicke auf die einzelnen Bilder um zu jeweiligen Galerie zu gelangen.